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Messies – Sucht & Zwang

Die meisten Messies sind äußerlich unauffällig und nicht vermüllt, wie es in den Medien gern zur Schau gestellt wird. Es gibt viele Messies, die gar kein oder nur wenig äußeres Chaos haben!
Die Betroffenen (viele Akademiker) stehen oft oder standen im beruflichen Leben in verantwortlicher Position, müssen strukturiert und organisiert arbeiten.

Im Privaten ist die Desorganisation ihr größtes Problem, ausgelöst durch ein inneres Gefühlschaos und ungelöste Konflikte. Da Verlassenheitspanik und Trennungsängste eine große Rolle spielen, können Probleme mit dem Horten und Nicht-Wegwerfen hinzukommen.

Messies sind ängstlich und unsicher, es können zusätzlich Depressionen, Alkoholprobleme, Kaufsucht, Arbeitssucht oder Ess-Störungen auftreten. Unserer Erfahrung nach handelt es sich bei den Ursachen um Bindungsstörungen (Messies sind unsicher-vermeidend gebunden), zu denen im Laufe der Zeit Traumata (u.a. sexueller oder emotionaler Missbrauch, Überforderung, Vernachlässigung, Ungeliebtsein, nicht einfühlsame Eltern mit erzieherischer Härte, das Gefühl, nicht angenommen zu sein) hinzukommen.

 

Messie – ein Mensch, dessen Alltag von innerem Chaos bestimmt wird

Manchmal zeigt sich das innere Chaos auch äußerlich in Form von Unordnung, Durcheinander und Desorganisation.

Betroffene leiden darunter, dass ihre Gedanken immer wieder um die Bewältigung der einfachsten täglich anfallenden Aufgaben kreisen und sie erleben oft eine Hoffnungslosigkeit, dieses Problem jemals in den Griff zu bekommen.

Ein Messie empfindet sein Leben als zerrissen, chaotisch, widersprüchlich und in hohem Maße frustrierend. Große Scham verhindert notwendige soziale Kontakte und Messies leiden unter der damit verbundenen Ausweglosigkeit. Sie machen sich für etwas verantwortlich, worüber sie nur wenig Kontrolle haben.

Die Betroffenen fühlen sich zunehmend überfordert, sind oft reizbar und haben Schwierigkeiten, sich zu entspannen. Sie leiden unter Konzentrationsstörungen, haben Denkblockaden und Depressionen sowie Ängste. Sie fühlen sich physisch und psychisch erschöpft, grübeln viel, haben Selbstzweifel und sind unsicher.

Messies erleben ihr Selbstwertgefühl als geteilt:
Im Privaten erleben Messies ein Gefühl der Minderwertigkeit. Im Beruf haben sie ein gutes Pseudo-Selbstwertgefühl. Als Lehrer, Erzieher, Apotheker, Diplom-Ingenieure, Zahnärzte, Ärzte, Psychologen, Politiker, Manager, Künstler, u.v.m. sind sie oft perfekter als andere. Sie interessieren sich für alles Neue.

Oft versuchen Messies, sich extrem anzupassen oder sind überaktiv. Gleichwohl sind sie energie- und hoffnungslos und leiden an ihrer Lustlosigkeit und Arbeitsunlust. Messies haben keine eigene Identität und sind dementsprechend fremdbestimmt.

Messies verurteilen nicht nur ihr Verhalten, sondern sich als Mensch. Sie haben große Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen und somit Prioritäten zu setzen. Messies sind immer auf der Suche nach dem perfekten System. Finden sie es nicht - und sie finden es nie - geben sie auf. Das totale Chaos ist Ihnen lieber als eine zweifelhafte Ordnung. Messies werden von ihren Erwartungen an sich, z.B. dem Perfektionismus, beherrscht, welche sie auch blockieren und lahm legen können. So werden sie nie fertig, weil sie sich permanent verzetteln. Sie haben daher nie genug Zeit, vor allem nicht für sich selbst. Sie sind sich nichts wert und das kann auch zur Selbstvernachlässigung führen. Vieles, was Anderen leicht fällt, fällt Messies besonders schwer, z.B. Wegräumen, die Spülmaschine einschalten oder ein Fax versenden. Messies haben dann das Gefühl „ich habe versagt“. Es folgt eine Scham, die im Privatleben oft zur sozialen Isolation führt. Für den Fall der Fälle wird alles aufgehoben und das kann zur Vermüllung führen. Da der Messie keine Grenzen setzen kann, grenzt er sich unbewusst durch dieses äußere Chaos ab. Wird dann eine Räumung durch Angehörige oder Ämter durchgeführt, hat der Betroffene das Gefühl, sein Leben wird weggeworfen. Das kann dann zum Suizid führen.

Traumata sind u.a. Eltern, die das Kind einschüchtern, lang anhaltende Enttäuschungen, Missachtung der ICH-Grenzen, Überstimulierung. Dieses, gepaart mit der Unfähigkeit oder dem Verbot, darüber zu sprechen oder sich zur Wehr zu setzen, sind wesentliche Verdrängungsmotoren und können zu krankhaften Entwicklungen führen. Messies sind nicht zwangskrank, können aber aus Angst und Unsicherheit heraus Zwänge entwickeln. Messies sind innerlich erstarrt und haben ihr Gefühl von Ihrem Erleben abgespalten. Sie nehmen ihre eigenen Grenzen nicht wahr und erkennen somit auch nicht die Grenzen Anderer. Die Betroffenen akzeptieren sich selber nicht. Sie können Lob durch andere Menschen nicht annehmen, werden misstrauisch und fühlen sich „verschaukelt“.

Das Messie-Syndrom ist leider auch vielen Fachleuten unbekannt oder fremd. Verhaltenstherapie oder Zwangsräumungen führen nicht zum gewünschten Erfolg, sondern verschlimmern den Zustand eher.

Zugang zu der Gedankenwelt der Messies finden nur Menschen, die dieses Phänomen an sich selber erlebt haben. Daher sind die Selbsthilfegruppen, die regionalen Arbeitstagungen und bundesweiten Fachtagungen eine gute Hilfe. In den Selbsthilfegruppen arbeiten wir an der Bewusstmachung der eigenen verschütteten Gefühle, an den Konflikten und den damit verbundenen Vermeidungshaltungen. Es wird nicht über das Aufräumen gesprochen. Eine gut funktionierende Selbsthilfegruppe kann das Gefühl der Geborgenheit, die bedingungslose Anerkennung und soziale Kontakte vermitteln.

Eben das, was in der Kindheit der Betroffenen fehlte. 

Folgende Merkmale sind typisch für Messies:

  • Sie lassen Niemanden in ihre Wohnung.
  • Sie horten z.B. Zeitungen und Zeitschriften.
  • Sie können sich fast von Nichts trennen.
  • Sie suchen ständig verlegte Sachen, z.B. Schlüssel, Rechnungen, Kreditkarten, u.s.w.
  • Sie laufen ständig Ihren Terminen hinterher.
  • Sie haben oft Schwierigkeiten, eine Arbeit zu beenden.
  • Sie versuchen ständig, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun.
  • Sie fühlen sich über einen langen Zeitraum blockiert und gelähmt.
  • Sie bleiben vorgefassten Ideen verhaftet.
  • Sie sind in einmal gelernten Gedanken und Reaktionen festgefahren.
  • Sie kennen keinen Anfang und kein Ende.
  • Dieser Zustand treibt sie zur Verzweiflung und/oder in die Isolation.

Denkhaltungen eines Messies:

  • Ich muss perfekt sein.
  • Ich kann mich nicht durchsetzen.
  • Ich bin nicht in Ordnung, kann nichts, bin nichts wert.
  • Ich kann mich gegen Konflikte nicht wehren.
  • Ich bin sensibel und übernehme darum die Verantwortung für Probleme anderer.
  • Ich kann die Gefühle anderer (Partner, Kinder) durch mein Verhalten steuern.
  • Es ist schrecklich, wenn Andere erkennen, wie ich wirklich bin.

Grundvoraussetzungen für Hilfe sind:

  • Betroffene müssen sich selbst als Messie erkennen.
  • Die innere Bereitschaft der Messies, ihr unter harten Bedingungen erlerntes Verhalten zu ändern und Hilfe anzunehmen.
  • Vor allem Verständnis und Akzeptanz durch die Gesellschaft mit anderen Menschen mit gleichen Problemen. Eine Selbsthilfegruppe kann das sehr gut vermitteln.
  • Ein liebevoller Freund, der gut zuhört und nicht bewertet, der Lösungen aufzeigt und realisieren hilft. Dieser soll jedoch keine überhöhten Anforderungen stellen, Lehrmeister spielen oder Erfolgszensuren vergeben.
  • Eine begleitende Behandlung in Form einer speziellen Psychotherapie, in der an den irrationalen – nicht hilfreichen – selbstschädigenden Gedanken gearbeitet wird, eine/n Therapeutin/en, die/der sich mit der Bindungstheorie auskennt.

 

Was ist ein Messie?

Messies (engl. Mess = Chaos, Unordnung) erkennen Sie im Straßenbild oder im Bus nicht als unordentliche Sammler! Sie sind gekleidet und gepflegt wie andere, ganz ihrer sozialen Schicht entsprechend. Einzelne sind sicher Bekannte von Ihnen, die sie nie in ihre Wohnung bitten und sich stattdessen außerhalb mit ihnen treffen. Messies finden sich in allen Schichten. Eine ganze Reihe der Frauen und Männer mit dieser Störung fallen dadurch auf, dass sie unwillentlich andere regelmäßig warten lassen und Termine und Fristen verpassen. Zwanghaft unpünktliche »Messies«  sammeln vielfach genauso wie ihre pünktlichen Leidensgenossen. Angehörigen und Freunden bleibt  nicht selten verborgen, dass eine ganze Reihe von ihnen in ihren Wohnungen, Speichern, Kellern, Zweitwohnungen, Lagerhäusern endlos viel Gedrucktes oder einfach alles, was sie beim Erben, beim Sperrmüll oder im Wertstoffhof oder sonst wo in die Hände bekommen können, lagern. Oder sie trennen sich nicht von all dem, was im täglichen Leben anfällt und entsorgt wird.

Quelle: Dr. Rainer Rehberger „Messies – Sucht und Zwang“, Psychodynamik und Behandlung bei Messie-Syndrom und Zwangsstörung, Klett-Cotta,  ISBN 3-608-89049-5